Franciscans International (FI) hat als Nichtregierungsorganisation einen Beraterstatus bei den Vereinten Nationen und Zugang zu allen wichtigen UN-Gremien. Die gemeinsame Organisation der weltweiten Franziskanischen Familie mit Büros in Genf und New York bringt als Anwalt für Menschenrechte Anträge ein und unterstützt insbesondere Angehörige benachteiligter Gruppen, ihre Anliegen direkt vor den zuständigen UN-Gremien zu vertreten.
2010 hat die UN-Generalversammlung den Zugang zu sauberem Trinkwasser und sanitären Einrichtungen zum Menschenrecht erklärt. Hat dies die Situation der Menschen verbessert?
Sandra Ratjen: Beim Zugang zu sauberem Trinkwasser hat sich in den letzten Jahren in den meisten Ländern viel verbessert. Die bessere Anerkennung des Rechtes auf Wasser im Völkerrecht und die Verankerung in den UN-Entwicklungszielen hat zu diesen Fortschritten beigetragen. Doch viele positive Statistiken verbergen weiter bestehende Probleme. Es ist daher wichtig, in diesen Fragen einen qualitativen Menschenrechtsansatz zu stärken.
Markus Heinze OFM: Ja, denn noch immer haben über 800 Millionen Menschen keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser. Jährlich sterben über 350.000 Kinder unter 5 Jahren an Durchfallerkrankungen, die durch verschmutztes Trinkwasser, fehlende Toiletten und mangelnde Hygiene verursacht sind.
Warum hat sich der Zugang zu sanitären Einrichtungen nicht ebenso stark verbessert?
Markus Heinze OFM: Die Diskussion um Sanitäranlagen ist eine Art Tabuthema. Viele Diplomaten – zumeist ältere Männer – meinen: „Darüber spricht man nicht.“ Dass es ein Menschenrecht sein soll, dass zum Beispiel Mädchen in der Schule Zugang zu Toiletten haben, ist längst nicht für alle einsichtig. Andererseits gibt es auch erfolgreiche Initiativen, zum Beispiel, dass unter aktiver Beteiligung von Slumbewohnerinnen neuartige Sanitärsysteme installiert werden. Auch hier hat sich seit 2010 die Lage für die betroffenen Menschen verbessert, allerdings weniger stark.
Zunehmende Wasserverschmutzung verschärft neben der Klimaerwärmung und dem Bevölkerungswachstum den Mangel an sauberem Wasser. Was kann dagegen getan werden?
Sandra Ratjen: Intensivlandwirtschaft und ungeklärte Abwasser aus dem Mineralabbau, durch die Flüsse und Seen vergiftet werden, sowie mangelnde Müll-und Abwasserentsorgung führen zu Menschenrechtsverletzungen. Wir versuchen in der UN, diese Zusammenhänge zu benennen. Über das Thema Wasser in einer Menschenrechtsperspektive zu arbeiten, erlaubt uns auch die nationale und grenzüberschreitende Verantwortung der Staaten und der privaten Akteure anzusprechen. Parallel unterstützen wir die Zusammenarbeit zwischen Partnern auf regionaler Ebene. In El Salvador gibt es kaum noch trinkbares Wasser, da 90 Prozent des Oberflächenwassers durch Schadstoffe aus dem Bergbau und anderen Industrien verschmutzt sind. Dabei teilt sich El Salvador wichtige Flüsse mit seinen Nachbarn Honduras und Guatemala. Also versuchen auch franziskanische Netzwerke ihre Partner in Guatemala und Honduras zu mobilisieren, damit ein regionales Abkommen zwischen diesen Staaten zustande kommt.
Markus Heinze: Schon vor der UN-Resolution 2010 haben wir für die Mitglieder der Franziskanischen Familie Schulungsseminare zum Thema durchgeführt und ein praktisches Handbuch erstellt, um die Schwestern und Brüder zu befähigen, in ihrem lokalen Bereich für dieses Menschenrecht einzustehen. Derzeit beteiligen wir uns an den jähr¬lichen UN-Konferenzen in New York und den Parallelveranstaltungen der NGOs zur Überprüfung der nachhaltigen Entwicklungsziele. In diesem Jahr steht hier der „Zu¬gang zu Wasser ohne Diskriminierung“ auf der Tagesordnung. Konkret bringen wir un-sere franziskanischen Partner aus El Salvador nach New York, damit sie ihre Erfahrungen und ihre Forderungen in den entsprechenden Gremien vorbringen und sich mit anderen regionalen Initiativen austauschen und vernetzen können.
Erstveröffentlichung Zeitschrift Franziskaner Sommer / 2018