Sollte eine Einladung zum christlichen Glauben das Thema Kirche nicht lieber stillschweigend übergehen? Für viele Menschen heute ist Kirche mit ihrer Geschichte und ihren Skandalen ein Hindernis auf dem Weg zu Gott. Aber sie gehört ins Glaubensbekenntnis. Und schon da ist sie sperrig: Der Text sagt nicht, dass Christen an die Kirche glauben. Es heißt auch nicht, dass sie der Kirche glauben. Wir glauben an Gott und wir glauben ihm. Das ist das Entscheidende. Und dann glauben wir auch noch die Kirche. Aber das ist etwas anderes
„Alles hängt mit allem zusammen“. Die Kanzlerin sagt das schon einmal bei komplexen politischen Vorgängen. Die Idee findet sich bereits bei den alten Griechen und klingt zugleich buddhistisch. Christlich ist sie auch. „Ein Christ ist kein Christ“, weiß der Kirchenvater Tertullian. So wie niemand sich selbst das Leben gibt und niemand allein die Sprache lernt, so wie ich nur in Liebe und Verantwortung Erfüllung erfahre, so vollzieht sich auch Glaube nur in Beziehung. Dass ich Jesus kenne, verdanke ich Menschen, die mir von ihm erzählten. Nichts trägt mich so sehr in meinem Glauben wie die Erfahrung, dass auch andere aus diesem Christus leben. Paulus gebraucht dafür das Bild des menschlichen Körpers, dessen unterschiedliche Glieder einander brauchen. Der Clou des Ganzen: Dies ist kein Organigramm einer Institution, sondern der »Leib Christi«, Christus selbst (vgl. 1 Kor 12, 12 – 27).
Das Glaubensbekenntnis nennt die Kirche in einem Atemzug mit dem Heiligen Geist, der Gemeinschaft der Heiligen, der Vergebung der Sünden und der Auferstehung der Toten. Auch das gehört zusammen. Als Institution ist Kirche menschlich, sündig, ständig reformbedürftig. Aber sie ist keine menschliche Erfindung, sondern wird vom Geist Gottes zusammengerufen. Das Verhältnis der »sichtbaren« zur „unsichtbaren“ Kirche (Luther) bleibt spannend. „Viele, die drinnen sind, sind draußen, und viele, die draußen sind, sind drinnen“, wusste schon Augustinus. Und Jesus spricht vom Acker, auf dem Weizen und Unkraut wachsen: Wer das Unkraut herausreißt, macht alles kaputt (vgl. Mt 13, 24 – 30).
Als Gemeinschaft von Menschen lebt Kirche von der Vergebung, die wir einander gewähren und von Gott erhoffen. Kirche ist keine aktuelle Momentaufnahme, sondern umfasst alle Frauen und Männer, die durch die gesamte Geschichte hindurch zu Christus gehören. Mögen auch manche Formen katholischer Heiligenverehrung problematisch sein, im Kern ist sie Ausdruck dieser universalen Solidarität. Ebenso wie das Gebet der Lebenden für die Verstorbenen. Denn der Tod wird unser Sein in Christus nicht abbrechen, sondern vollenden.
Wir glauben die Kirche: Durch Glaube, Hoffnung und Liebe bauen wir den Leib Christi mit auf, auch wenn wir niemals die Baumeister sind. Kirche ist Prozess und Geschenk zugleich. An der Kirche leiden, sich für die Kirche engagieren – für Glaubwürdigkeit, Reformen, Ökumene – und dankbar in der Kirche Christus leben, auch das gehört zusammen.
Erstveröffentlichung Zeitschrift „Franziskaner“ Winter 2013