13.10.2021 Niklaus Kuster ofmcap

Schwester Pax und Bruder Zorn

Wo Franziskus den Frieden wurzeln sieht

Viele verbinden franziskanisch mit freundlich, friedlich und sanft. Franz von Assisi umarmt Aussätzige, lockt mit seiner Sanftmut Papst Innozenz III. vom Thron, geigt mit zwei Ästen singend durch den Wald und zähmt den mörderischen Wolf von Gubbio. Spülen solche Bildimpressionen wahres Menschsein nicht weich? Wurde der Bruder nie aggressiv? Wohin ging Franziskus mit unguten Emotionen? Und wie können allzu emotionale Menschen heute von ihm Friedfertigkeit lernen?

Ein zorniger Franziskus

Das Wort sagt es: Emotionen sind innere Bewegungen im Menschen, die ausgedrückt werden möchten. Nur wer Gefühle in Herz und Geist zulässt, kann auch mit ihnen umgehen. Wer sie bekämpft oder verdrängt, schädigt sich selbst und handelt so lebensfeindlich wie jene, die all ihren Gefühlen freien Lauf lassen. Franziskus lernt, seinen Gefühlen Raum zu geben. Er lehrt seine Brüder zugleich, mit Emotionen gut umzugehen. Der junge Modeexperte muss ein charmanter und geistvoller Mann gewesen sein. Sonst wäre er in Assisi kaum Festkönig der Jugend geworden. Dass der Heilige auch zornig werden konnte, zeigen Gefährtenberichte noch für die reifen Jahre. Berühmt sind zwei heftige Reaktionen des Wanderbruders aus seinen letzten Jahren. In Bologna weigert er sich das Haus zu betreten, das die Brüder in der Universitätsstadt erhalten hatten. Er zwingt selbst die Kranken, schleunigst auszuziehen. In der Portiuncula schleudert er die Ziegel eines Hauses, das die Stadt den Brüdern gebaut hat, wütend vom Dach. Heiliger Zorn hat Platz in der Nachfolge Jesu, dessen zornige Tempelräumung Händler aufrüttelte, die durch Worte allein nicht zu erschüttern waren.

Zorn und Liebe

Franziskus hält in dichten Weisungen fest, was Zusammenleben und inneres Reifen gelingen lässt. Das eine Wort über den Zorn gibt zu bedenken, dass Macht beansprucht, wer vorschnell über andere urteilt. In einer weiten Weisung stellt Franziskus die Kraft der Geduld der Wucht des Zornes gegenüber: „Wo Liebe ist und Weisheit, da ist nicht Furcht noch Unwissenheit. Wo Geduld ist und Demut, da ist nicht Zorn noch Verwirrung.“

Franziskus übt sich im Umgang mit Emotionen darin, handlungsfähig zu bleiben und sich nicht zu vorschnellen Reaktionen hinreißen zu lassen. Gefühle haben ihre Wahrheit und der menschliche Geist seine Freiheit. Diese gilt es zu wahren, damit die Liebe in jeder Lage unter allen Emotionen die stärkste bleibt.

Wahre Friedensstifter

Franziskus sieht „jene der Welt den wahren Frieden bringen, die bei allem, was sie hier auf Erden erleben und erleiden, an Leib und Seele den Frieden bewahren! „ An Leib und Seele den Frieden bewahren, bei allem, was uns im Alltag zugemutet wird? Mit der Zunge, mit der Faust Frieden bewahren? In meinem Denken nicht aggressiv werden, in meinem Herzen nichts Böses wünschen, in meiner Seele nicht außer mir geraten? Franziskus illustriert diese Haltung mit der Erzählung „Über die wahre Freude“. Die Originalquelle wird hier zu einem Impulsspiel entfaltet, das sich meditieren oder auch spielen lässt:

Franziskus ruft eines Tages bei der Portiuncula Bruder Leo zu sich

Franz: „Leo, mein Bruder, kannst Du mir etwas aufschreiben?“

Leo: (setzt sich und nimmt Pergament und Feder zur Hand)
„Ich höre und bin bereit!“

Franz: „Schreibe, worin die wahre Freude liegt.“
(geht nachdenklich umher und diktiert langsam)
„Es kommt ein Bote aus Frankreich und sagt, dass alle Universitätsgelehrten von Paris in unsere Gemeinschaft eingetreten sind.
Schreibe: Darin liegt nicht die wahre Freude!“

Leo: (schreibt getreulich mit)

Franz: „Ebenso, dass alle Prälaten jenseits der Alpen, die Bischöfe und Erzbischöfe in Frankreich und Deutschland sich uns anschließen! Ebenso der König von Frankreich und der König von England.“

Leo: (wiederholt die letzten Worte und kommentiert dazu)
„Alles, was Rang und Namen hat in Staat und Kirche.“

Franz: „Schreibe: Es wäre nicht die wahre Freude! Ebenso, dass unsere Brüder zu den Ungläubigen gegangen sind und sie alle für Christus gewonnen haben.“

Leo: (kommentiert dazu hoffnungsvoll)
„Es wäre das Ende aller Kreuzzüge und Religionskriege!“

Franz: „Und dass Gott mich so sehr beschenkt, dass ich Kranke heile und Wunder wirke. Ich sage, dass in all dem nicht die wahre Freude ist!“

Leo: (legt die Feder hin)
„Sag doch, Franziskus, was denn die wahre Freude ist!“

Franz: „Wir kehren zu Fuß von Perugia zurück und kommen in tiefer Nacht erschöpft hierher, zur Winterzeit, schmutzig, mit gefrorener Kutte und müssen in Schmutz, Kälte und Eis lange an der Pforte klopfen, bis ein Bruder kommt.“

(Leo tritt zum Gefährten. Beide schlottern vor Kälte. Franziskus klopft mehrmals erfolglos an der Pforte. Leo klopft energischer.)

Pförtner: (erscheint mürrisch)
„Was wollt ihr so spät abends? Wer seid ihr?“

Franz: „Unser Bruder Leo und ich, Bruder Franziskus.“

Pförtner: „Na dann bleibt, wo ihr seid! Hau ab, Francesco, Simple und Ungebildete brauchen wir nicht! Wir sind so zahlreich und es geht nun ohne dich.“
(Er schlägt die Türe zu. Die beiden Brüder schauen sich an und klopfen noch einmal.

Der Pförtner noch unfreundlicher.)
Pförtner: „Ein Dach findet ihr im Hospital der Kreuzträger!“
(Er schlägt die Türe definitiv zu und wendet sich ab.)

Franz: (legt Leo die Hand auf die Schulter)
„Ich sage dir, wenn ich meine Geduld nicht verliere und nicht aggressiv werde, liegt darin wahre Freude. Die Kraft des Geistes und das Heil der Seele.“

Erzählerin: „Franziskus wünscht sich nicht demütige Lämmer! Ebenso wenig tragen aggressiv gereizte Reaktionen zum Frieden bei: „Ich sage dir, wenn ich meinen inneren Frieden nicht verliere, liegt darin wahre Freude!“

Der größte Erfolg eines Menschen ist es, handlungsfähig zu bleiben, aus innerstem Frieden. Sich nicht bestimmen lassen, nicht steuern und besiegen vom Verhalten anderer. Sich nicht hinreißen zu lassen zu unguten Reaktionen. Denn nur unerschütterlich im inneren Frieden bleiben Menschen handlungsfähig. Nur so können sie frei, aufrecht und befreiend reagieren. So hat es Jesus getan, von der Krippe bis ans Kreuz.

Erstveröffentlichung Zeitschrift Franziskaner Mission 3/21


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