07.03.2018 Michael Bodin, Pressereferent Kongregation der Franziskanerinnen von Salzkotten

„Kommt nicht über das Meer“ – Sr. Stefanies Erfahrungen mit dem Familiennachzug

Misrit Hagos aus Eritrea hat endlich ihre Kinder wieder bei sich

Überglücklich ist Misrit Hagos aus Eritrea darüber, dass ihre Tochter (9) und ihr Sohn (7) nach fast fünfjähriger Trennung zu ihr nach Deutschland kommen konnten. Bild von Michael Bodin / fcjm.

Misrit Hagos, aus Eritrea ist eine von vielen Geflüchteten, die um das Leben ihrer Zurückgebliebenen bangen. Sie stehen hilflos vor den behördlichen Anforderungen. Ihre Kinder musste Misrit zurücklassen, als sie 2013 von Eritrea nach Deutschland flüchtete. Jetzt endlich, nach mehr als fünf Jahren der Trennung konnte sie, Dank der Hilfe und der unermüdlichen Initiative von Schwester Stefanie, ihre beiden zurückgelassenen Kinder wieder in ihre Arme nehmen.


Für Misrit Hagos (27) war es der schönste Augenblick seit fünf Jahren. Ende November konnte die aus Eritrea geflüchtete Mutter nach fast fünfjähriger Trennung endlich ihre beiden älteren Kinder wieder in die Arme schließen. Nach langen Wirren kamen die inzwischen neunjährige Tochter und der siebenjährige Sohn in Frankfurt an. Für die orthodoxe Christin, die 2013 nach einer dramatischen Flucht über das Mittelmeer nur mit ihrer heute vierjährigen jüngsten Tochter nach Herten kam, endete damit eine schreckliche Zeit des Hoffens und Bangens um ihre beiden anderen Kinder.

„Ohne Schwester Stefanie hätte ich das nicht geschafft“, sagt sie und umarmt die Franziskanerin, die sich seit vielen Jahren in Herten um Flüchtlinge kümmert und sich immer wieder auch für Einzelschicksale besonders einsetzt. Diese langwierige, bürokratische und von unterschiedlichen Stellen lange verhinderte Familienzusammenführung habe sie allerdings einige Nerven gekostet, sagt Schwester M. Stefanie Müllenborn. Umso glücklicher ist sie nun über den guten Ausgang und schaut zufrieden auf die Kinder von Mistrit Hagos. Die haben bei einem Besuch in ihrer Wohnung schnell die Kiste mit den Duplo-Steinen entdeckt und sind ins Spiel vertieft. Derweil erzählen ihre Mutter und Schwester M. Stefanie von den dramatischen Ereignissen im November. Dass es überhaupt so lange gedauert hat, obwohl Misrit Hagos nach ihrer Anerkennung im August 2015 direkt einen Antrag auf Familienzusammenführung stellte, lässt beide nur mit dem Kopf schütteln. Dankbar sind sie zwar der Stadt Herten, die eine Vorabzustimmung zur Familienzusammenführung gegeben hatte, auf die Entscheidung der Botschaft habe dies aber wohl keinen Einfluss gehabt.

Über die nahezu unendlichen bürokratischen Schwierigkeiten bei der Familienzusammenführung können Misrit Hagos aus Eritrea und Schwester M. Stefanie Müllenborn im Nachhinein nur den Kopf schütteln. Die zahlreichen Briefe und E-Mails füllen den Tisch in der Wohnung von Schwester M. Stefanie in Herten.
Bild von Michael Bodin / fcjm.

Der große Esszimmertisch von Schwester Stefanie ist voll mit Papieren der langwierigen bürokratischen Auseinandersetzungen um die Familienzusammenführung. Unzählige E-Mails schrieb Schwester Stefanie an Behörden in Deutschland, im Sudan, wo die Kinder zeitweilig lebten und in Kairo, von wo aus sie schließlich nach Deutschland flogen. Sie schrieb an das UN-Flüchtlingskommissariat UNHCR, das Auswärtige Amt, die deutschen Botschaften im Sudan und in Ägypten sowie an einen lokalen Bundestagsabgeordneten und einen Staatsminister in Berlin. Immer wieder wurden von der deutschen Botschaft in Kairo neue Dokumente angefordert, Prüfungen angekündigt, die sich dann hinzogen. „Besonders schlimm für die Kinder war der angeordnete DNA-Test bei einem Arzt in Kairo“, sagt Schwester Stefanie. „Warum glauben die nicht, dass unsere Mutter unsere Mutter ist“, habe der Junge immer wieder gesagt.

Eines war Misrit Hagos bei aller Sehnsucht nach ihren Kindern aber wichtig: Die Verwandten, bei denen die Kinder untergebracht waren, sollten auf keinen Fall versuchen, sie auf eigene Faust nach Deutschland zu bringen. „Kommt nicht über das Meer“, bat sie eindringlich. Die Flucht mit ihrer in Libyen geborenen jüngsten Tochter in einem Schlepperboot nach Lampedusa ist ein Trauma für die junge Mutter. Tränen steigen ihr in die Augen, wenn sie von dem „schwarzen Wasser in der Nacht“ erzählt und dass sie mit dem wenige Wochen alten Mädchen drei Tage ohne Essen auf dem Boot ausharren musste.

Überschwengliche Freude: Am Flughafen Frankfurt konnte Misrit Hagos Ende November ihre beiden älteren Kinder wieder in die Arme schließen. Die jüngste Tochter (rechts) kam während ihrer Flucht in Libyen zur Welt. Schwester M. Stefanie Müllenborn hatte bei der Familienzusammenführung maßgeblich geholfen.
Bild von Michael Bodin / fcjm.

Einen unabsichtlichen Fehler beging ihr Bruder, bei dem die Kinder zuletzt lebten, dann aber doch. Als sich im Sudan die Ausreise unerträglich hinzog, ging er mit ihnen nach Kairo, in der Hoffnung, dass von dort aus die Weiterreise einfacher sei. „Jetzt musste aber vieles von vorn begonnen werden“, berichtet Schwester Stefanie. Durch den Wechsel des Landes waren eine andere deutsche Botschaft zuständig und neue Behörden beteiligt.

Und dann, als alles geklärt schien, der Flug gebucht war, Pässe und Visa vorlagen, wurden die Kinder in Kairo am Einstieg ins Flugzeug gehindert. „Es hieß, die Begleitperson sei nicht bezahlt, was aber nicht stimmte“, sagt Schwester Stefanie. Sie vermutet einen Fall von Korruption, weil die Geldforderung für eine Begleitperson erneut gestellt wurde. Die Situation ließ sich nicht schnell genug klären und das Flugzeug war weg. In Herten erlitt Misrit Hagos einen Zusammenbruch. Nach mehreren Telefonaten zwischen Herten und Kairo konnten die Kinder dann am Tag darauf doch noch ins Flugzeug nach Frankfurt steigen. Einen Tag später wäre ihr Ausreisedokument für Ägypten wieder abgelaufen gewesen.

Überschwängliche Freude beim Wiedersehen in Frankfurt: Schwester Stefanie hatte die Mutter zum Flughafen begleitet und beide konnten es kaum fassen als die Kinder endlich auf sie zugelaufen kamen.

Jetzt hofft Misrit Hagos auf einen Schulplatz in der Nähe ihrer Wohnung. Auch müssen die Kinder Deutsch lernen und einiges an versäumter Schulzeit nachholen. „Was zählt ist, dass sie jetzt bei mir sind“, sagt sie. Im Rahmen des Bundesfreiwilligendienstes arbeitet Misrit Hagos derzeit beim Caritasverband in der Altenhilfe. Ihr Ziel ist es, eine Ausbildung zur Altenpflegerin zu machen und in diesem Beruf zu arbeiten. Einen Vorsprung gegenüber ihren Geschwistern hat die jüngste Tochter. Sie spricht bereits gut Deutsch und bringt ihrer älteren Schwester und ihrem Bruder gerade das Zählen auf Deutsch bei.


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