23.03.2016 Bericht von Marie-Armelle Beaulieu für die Kustodie des Heiligen Landes. Aus dem Französischen übersetzt von Bruder Georg Andlinger

Endlich: Das Grab Jesu wird renoviert

Nach jahrelangen Verhandlungen haben sich christliche Konfessionen, Wissenschaftler und Politiker endlich darauf geeinigt das Heilige Grab in Jerusalem instandzusetzen.

Prozession am Heiligen Grab. Archivbild, Kustodie des Heiligen Landes
Prozession am Heiligen Grab. Archivbild, Kustodie des Heiligen Landes

Die Pilger, die am späten Morgen des 22. März 2016 am Heiligen Grab versammelt waren, mögen sich verwundert gefragt haben, was für eine Zeremonie da vollzogen wurde. Griechisch-Orthodoxe, Armenier und Franziskaner waren zusammengekommen, um ein Baugerüst zu segnen!

Die im Heiligen Land vertretenen Kirchen, die gemeinsam die Wächter der Auferstehungskirche sind, haben während der letzten Monate unter höchster Geheimhaltung Planungen für die Renovierung des Grabes Christi vorangetrieben (In der lateinischen Kirche ist die Bezeichnung „Grabeskirche“ üblich, die griechische Kirche verwendet den Begriff „Auferstehungskirche“). Es ist kein Geheimnis, dass diese Grabstätte im Zentrum der Rotunde in der Grabeskirche sich in einem fortschreitenden Verfall befindet.

Die Planungen und Beratungen waren Anfang März Thema einer Konferenz in Athen, zu der mehrere Minister der griechischen Regierung, der griechisch-orthodoxe Patriarch von Athen und Jerusalem, Theophilus II, der Kustos des Heiligen Landes, Pierbattista Pizzaballa, der armenische Patriarch Nourhan Manougian und hundert weitere Teilnehmer zusammengekommen waren.

Professorin Antonia Moropoulou von der Fakultät für Chemische Ingenieurwissenschaften der Staatlichen Technischen Universität von Athen stellte die Ergebnisse der Untersuchungen vor, die unter ihrer Leitung durchgeführt worden waren. Sie wurde dabei von anderen griechischen Wissenschaftlern assistiert, weil auch andere Disziplinen an den Untersuchungen beteiligt waren.

Professorin Moropoulou erläuterte die strukturellen Schwachstellen des Bauwerks, die seit seiner Errichtung bestehen. Sie stellte allerdings auch klar, dass auch zeitbedingte Einflüsse zum Zerfall der Bausubstanz beitragen. Ein wesentlicher Faktor ist die große Zahl der Pilger und Touristen, die die Basilika besuchen.

Der Hauptgrund für die Verwerfungen der Marmorblöcke sind die Änderungsprozesse im Mörtel zwischen den Blöcken, deren Ursache die Feuchtigkeit in der Atemluft der Besucher ist, die sich niederschlägt. Weiterhin haben Temperaturaufzeichnungen im südlichen Teil des Heiligtums ergeben, dass die Kerzen, die stundenlang nur wenige Zentimeter von dem Bauwerk entfernt brennen, den Marmor durch die ständige Wärmeeinwirkung schädigen. Dazu kommt, dass durch den Ruß der Kerzen schwarze, ölige Substanzen sich auf dem Marmor absetzen, die den Stein schädigen und physio-chemische Reaktionen in Gang setzen, die die Oxydation begünstigen und zur Zersetzung der Oberflächen führen.

Das Baugerüst wurde umgehend wieder entfernt. Die Renovierungsarbeiten sollen in den kommenden Wochen nach dem Abschluss der Osterfeiern des katholischen Ritus und den orthodoxen Feiertagen beginnen. Die Arbeiten werden voraussichtlich mindestens acht Monate dauern und sollten Anfang 2017 abgeschlossen sein, 70 Jahre nachdem die Briten das Heilige Grab in ein Stahlkorsett eingefasst haben. Alle Arbeitsschritte werden von 30 Wissenschaftlern unterschiedlicher Fakultäten der Technischen Universität von Athen dokumentiert werden. Zu diesem Team werden auch armenische und katholische Fachleute gehören. Während dieser Zeit wird die Kirche für Gottesdienste und für die stille Andacht der Gläubigen geöffnet bleiben.

Die einvernehmliche Planung der Kirchen sieht eine konservative Restaurierung vor. Das Heilige Grab wird abgebaut und identisch wieder neu errichtet werden. Nur solche Teile der Bausubstanz, deren Struktur angegriffen ist oder die zerbrochen sind, werden ersetzt werden. Marmor, der erhalten werden kann, wird gereinigt werden, die tragenden Strukturen werden stabilisiert werden.

Das Projekt wird von den drei wichtigsten christlichen Kirchen bzw. Gemeinschaften am Heiligen Grab finanziert: den Griechisch-Orthodoxen, den Franziskanern und den Armeniern. Die griechische Regierung wird öffentliche Gelder zur Verfügung stellen, weiterhin werden private Spender Beiträge leisten. Auch der World Monuments Fund (WMF) hat Interesse an einer Beteiligung bekundet.

Das Heiligtum ist 206 Jahre alt

Prozession am Heiligen Grab. Archivbild, Kustodie des Heiligen Landes
Prozession am Heiligen Grab, welches bereits seit Jahren baufällig ist. Archivbild, Kustodie des Heiligen Landes

Das derzeitige Heiligtum, das nach dem großen Feuer von 1908 in den Jahren 1809 / 1810 im Ottomanischen Barockstil errichtet wurde, zeigte schon bald Anzeichen von Baufälligkeit. Bis 1868 war es durch die Kuppel der Rotunde nur teilweise vor Witterungseinflüssen geschützt, weil oben in der Kuppel eine zum Himmel offene Fensterrundung war. Das größte Problem war jedoch, dass das Mauerwerk von seinem eigenen Gewicht erdrückt wurde.

Was man als Fehlplanung bezeichnen könnte, ist allerdings das Ergebnis der Bestrebungen des griechischen Architekten Nikolaos Komnenos, Überreste des vorherigen Heiligtums zu erhalten. Diese wurden dann mit Marmorplatten verkleidet. „Wie Häute einer Zwiebel“, sagt Martin Biddle in seinem Sachbuch mit dem Titel „Das Grab Christi“. (Martin Biddle, The Tomb of Christ, 1999, Sutton Publishing Limited, Sttoud, Gloucestershire) Ein starkes Erdbeben am 11. Juli 1927 trug außerdem zu einer weiteren Destabilisierung der brüchigen Bausubstanz bei, wenn auch die Basilika dem Beben mit Stärke 6,2 auf der Richter-Skala standgehalten hatte und der einzige sichtbare Schaden erhebliche Risse in der Kuppel oberhalb des griechisch-orthodoxen Chorraums waren.

Da Palästina damals unter britischer Herrschaft stand, brauchten die Ingenieure des Bauamts zwei Monate, um die religiösen Autoritäten dazu zu bringen, eine Inspektion durchzuführen. Als Ergebnis wurde ohne Wenn und Aber die Notwendigkeit umfassender Reparaturen festgestellt. Die Untersuchung des Heiligen Grabes bestätigte, dass das Bauwerk Überreste des vorherigen Bauwerks umschloss.

Jedoch waren zur damaligen Zeit die Kirchen nicht fähig, zu einem gemeinsamen zufriedenstellenden Entschluss zu kommen. Witterungseinflüsse und neue Erdbebentätigkeit, insbesondere in 1934, zogen das Bauwerk weiter in Mitleidenschaft. In die größte Kirche der Christenheit wurden die Stützgerüste eingezogen, die bis jetzt die instabilen Mauern abstützen. Die Griechen und die Franziskaner, letztere im Auftrag der Lateinischen Kirche und der Armenier, führten bestimmte Reparaturen durch, die jedoch nicht das Heilige Grab selbst betrafen.

Im März 1947 stabilisierten die Briten das Heiligtum mit Stahlarmierungen, auf denen bis heute zu lesen ist: „Bengal Steel Company“. Da das britische Mandat im Mai 1948 endete, hatten sie nicht genug Zeit, um die Unterstützung der Kirchen für die Durchführung weiterer Renovierungsmaßnahmen zu erhalten.

1959 erzielten die drei wichtigsten in der Auferstehungskirche vertretenen Kirchen (Griechisch-Orthodoxe, Lateiner und Armenier) die Übereinkunft, ein größeres Instandsetzungsprojekt durchzuführen. Jede Kirche führte die Arbeiten in dem Teil der Kirche durch, für die sie zuständig war, und alle arbeiteten gemeinsam an der Instandsetzung der Kuppel der Rotunde. Die Arbeiten wurden 1996 abgeschlossen, doch am Heilige Grab wurden keine Arbeiten durchgeführt und es verblieb in seinem baufälligen Zustand.

Erst jetzt wird es endlich in Stand gesetzt

Die verschiedenen Heiligtümer im Lauf der Jahrhunderte:
Das Grab Jesu wurde am Abhang eines Hügels in einem stillgelegten Steinbruch angelegt. Aber der „Garten der Auferstehung“ und das Grab wurden ab 135 n. Chr. von einem Tempel überbaut, den Kaiser Hadrian errichten ließ. Um 324 beauftragte Kaiser Konstantin Bischof Makarius von Jerusalem, das Grab Christi wieder aufzufinden und darüber eine Basilika zu errichten. Dies war die erste Kirche des Heiligen Grabes.

Um die Grabkammer herum, in der der Leichnam Jesu gelegen hatte, wurde Erde ausgehoben. Der ursprüngliche Fels, der die Grabkammer bildete, wurde mit Marmor verkleidet, der mit Verzierungen aus der Konstantinischen Ära versehen war. Dies war das erste „Heilige Grab“.

Im Jahr 614 wurde das Heiligtum von den Persern teilweise beschädigt, danach, im Jahr 1009, wurde es auf Befehl von Al-Hakim bi-Amr Allah, der unter den Christen als „Hakim der Narr“ bekannt war, geplündert und dem Erdboden gleich gemacht. Um 1014 wurde das Heiligtum durch ein romanisches Bauwerk ersetzt.

Auch dieses Bauwerk wurde schließlich aufgrund derselben Ursachen baufällig: Witterungseinflüsse, Feuer und Plünderung, und so ersetzte Kustos Bonifatius von Ragusa es 1555 durch durch ein ähnliches Bauwerk, jedoch mit gotischem Einfluss. Dieses Heilige Grab fiel dann dem Feuer von 1808 zum Opfer und wurde durch das jetzige Heilige Grab ersetzt.

 

Bericht von Marie-Armelle Beaulieu für die Kustodie des Heiligen Landes.
Aus dem Französischen übersetzt von Bruder Georg Andlinger


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